Wiederinbetriebnahme nach langer Standzeit

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mitsublue
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Wiederinbetriebnahme nach langer Standzeit

Beitrag von mitsublue »

Aus gegebenem Anlass (jemand aus dem Forum möchte sich evtl. einen GT mit sieben Jahren Standzeit zulegen).

Neben „überschaubaren“ Standzeiten, z. B. wg. Saisonzulassung kommt es in seltenen Fällen auch zu Standzeiten von mehreren Jahren.
Zeiten im Bereich einiger Monate bereiten normalerweise keine größeren Probleme, v. a. bei entsprechender Vorbereitung vor dem Abstellen. Zudem steckt der GT derlei Pausen vergleichsweise gut weg. Näheres zum Thema s. http://www.gt-driver.de/forum/viewtopic.php?f=8&t=293
Dies gilt ähnlich auch für Fahrzeuge, die zwar lange Zeit abgemeldet / geparkt waren, aber mit denen z.B. in gewissem Turnus Bewegungsfahrten und geeignete Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt wurden.

Fahrzeuge mit jahrelangen Standzeiten (bis hin zu „Scheuenfunden) können diesbezüglich schon Probleme machen, insbesondere wenn das Fahrzeug „einfach“ abgestellt wurde und/oder das Fz. unter ungünstigen Bedingungen lagerte.

Nachfolgende Ausführungen sind wg. den unterschiedlichsten Möglichkeiten und Umständen nur generell bzw. tendenziell zu sehen. Patentrezepte kann man da kaum geben.

o Flüssigkeiten
Generell sollte nach jahrelanger Standzeit gewechselt werden (Fz. vorher vorsichtig ein paar km fahren oder Motor warm laufen lassen):
- Motoröl + - filter, ggf. nach gewisser Zeit nochmals einen vorgezogenen Ölwechsel durchführen, evtl. vor diesem eine Motorspülung
- Getriebeöl in Schalt-, Winkelgetriebe und Hinterachsdifferential, s. http://www.gt-driver.de/forum/viewtopic.php?f=8&t=552
- Kühlflüssigkeit (kein Korrosionsschutz bei der alten Brühe)
- Bremsflüssigkeit
Infolge vermutlich erhöhtem Wassergehalt ist der Nasssiedepunkt der Bremsflüssigkeit (da hygroskopisch) stark herabgesetzt, ebenso kann es unter ungünstigen Umständen zu Korrosionsschäden im Hauptbremszylinder oder in den Radbremszylindern der Bremssättel gekommen sein.
Evtl. vorhandene kleine Vertiefungen oder Rauheiten können die Gummimanschetten der Kolben beschädigen. Dies wiederum kann zu Undichtigkeiten oder Ausfall des Bremssystems führen.
Es reicht nicht aus, einfach nur die alte Flüssigkeit aus dem Vorratsbehälter abzusaugen und aufzufüllen.
Bei fachgerechtem Wechsel wird durch die Entlüftungsnippel an den Bremssätteln die alte Flüssigkeit ausgespült (beginnend hinten rechts, hl, vr, vl), damit auch gleich das Bremssystem entlüftet.
- Kupplungsflüssigkeit dto.
- Öl der Servolenkung
bei langen Standzeiten (Entlüften erforderlich)
-Benzin
kann große Problem bereiten, insbesondere wenn sich im Tank Rost gebildet hat.
Dies kann zur Verstopfung des Benzinfilters und/oder der Einspritzdüsen und Schlimmerem führen.
Generell würde ich die alte erst mal die Brühe (da gealtert u. chemisch verändert) ablassen und, soweit einigermaßen sauber, vorsichtig verfeuern, z.B. im Rasenmäher oder Opas Käfer. Wenn rostig, übelriechend o. ä. --> Sondermüllsammelstelle.
Tank spülen und neuen Benzinfilter montieren, ggf. nach längerer Fahrstrecke Filter nochmals wechseln.

o Motor
- Normalerweise kaum Standschäden, dennoch sollte man die erste Zeit verhalten fahren.
Wenn das Fz. mehrere Jahre stand oder nach entsprechender Laufleistung sollte der Zahnriemen incl. Spanneinrichtung und – rollen, Breitbandrippenriemen und Wasserpumpe und Zündkerzen getauscht werden.
- Im Umfeld des Motors sollte man Bauteile aus Kunststoff, Gummi usw. überprüfen, z.B. Kühlerschläuche, Zündkabel, kleine Unterdruckschläuche (würde ich auf jeden Fall wechseln, Meterware)

o Bremsen
Dürften meistens ziemlich verrostet sein, soweit gängig erst mal blank bremsen und dann Scheiben, Beläge etc. ansehen,. Teilweise sind regelrechte Korrosionsschäden (z.B. starke Abdruckgräben, kleine Krater o. ä.) möglich.
Ggf. Scheiben und / oder Beläge erneuern. Falls Bremsschläuche etwas porös oder rissig – wechseln.

o Reifen
Wenn Fz. nicht aufgebockt war, sind die Reifen vermutlich „eckig“, ähnlich wenn platt gestanden. Gefahr von Karkassebrüchen, Profilablösungen u. ä.
Davon abgesehen, ältere Reifen generell wechseln, auch weil der Gummi gealtert ist (mangelnde Griffigkeit). Die Reifentechnik hat zwischenzeitlich auch Fortschritte gemacht, also am besten gleich einen neuen Satz montieren.

o Fahrwerk, Unterboden
Auch hier sollte man Bauteile aus Kunststoff, Gummi usw. überprüfen. Evtl. hat hier Marder u. Co. gewütet. Z.B. Manschetten der Antriebswellen, Spurstangenköpfe. Ggf. tauschen
Underbodenschutz soweit beschädigt erneuern, vorher betreffende Stellen entrosten und grundieren.

o Elektrik
- Batterie, i. d. R. ist eine neue Batterie fällig
- Elektrische Anlage soweit möglich komplett auf Funktion überprüfen, ggf. Kontakte u.ä. reinigen und mit Kontaktspray behandeln.

o Innenraum
Je nach Erhaltungs- und Pflegezustand, Gerüchen usw.
Anzuraten wäre neben üblichen Pflegemaßnahmen zumindest eine rückfettende Lederpflege der vorderen Sitze (u. a. gegen Rissbildung) sowie eine Behandlung der Kunststoffoberflächen und Dichtgummis mit Armor All (matt) o.ä.

o Sonstiges
- Kann man schwierig vorhersagen. Ich habe da schon die tollsten Dinge erlebt, z. B. fest gegangene Kupplung, hängende Relais, Mäusenest im Sitz, „Hexenpipi“ im Tank, zerbröselnde Auspuffanlagen, rätselhafte „Kupferwürmer“, schimmelige Innenausstattung etc.
Manchmal haben solche Fahrzeuge aber auch überraschend wenig Probleme gemacht - man steckt da nicht drin.
- Soweit nicht zwischenzeitlich wieder kurz angemeldet wurde, kann nach langer Standzeit auch der Fahrzeugbrief verfallen sein. In diesem Fall isind neue Fz.-Papiere notwendig, vor der Zulassung ist eine Vollabnahme beim TÜV erforderlich (bzw. Dekra in den neuen BL).

Ansonsten sollte man das Fahrzeug aufmerksam beobachten, Fahrstil schrittweise verschärfen, evtl. kommen erst später mögliche Folgeschäden zum Vorschein.

Ob man mit dem „Standzeug“ ein Schnäppchen gemacht hat (was durchaus vorkommt), oder aber unter dem Strich viel Ärger und Kosten hatte, sieht man leider oft erst nach einiger Zeit.
Z. B. können da manche Lambo- oder ähnliche Exotenbesitzer Horrorstorys wg. eines vermeintlichen Gelegenheitskaufs („Gelegenheit mit 3000 km in 12 Jahren…..“) erzählen.

Trotz allem: Problemlose fahrt mit dem Standoldie wünscht
mitublue
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